Ich sehe was, was du nicht siehst (II),(2021)
Das zentrale Anliegen der Arbeitsreihe 'Ich sehe was, was du nicht siehst' ist der grundsätzliche Hinweis auf das persönliche Wahrnehmungsverhalten jedes Einzelnen und seiner daraus resultierenden einzigartigen Kreativität. Bei diesem Projekt geht es darum, Form-Äquivalente zu einem vorgegebenen Objekt (hier: ein Bikini) zu finden. Dieses Prozedere wird mit dem gefundenen Objekt (hier: gotisches Maßwerkfenster) wiederholt (hier: Blüte einer Komposite) und beliebig fortgesetzt. Im hiesigen Rahmen ist bezeichnend, wie unterschiedlich die individuellen Lösungsketten dabei aussehen können.
Ein Bikini-Oberteil, insbesondere im Triangel- oder Balconette-Schnitt, kann durch seine geschwungenen Linien und die mittige Symmetrie die formale Struktur eines Trifoliums oder eines spitzbogigen Lanzettfensters evozieren. Die Auswahl des Ersatzobjektes – hier das gotisches Maßwerkfenster – erfolgt nach dem Prinzip seiner morphologischen Isomorphie. Es basiert auf Euklidischer Geometrie, konstruiert primär aus Kreisen, Kreisbögen und Tangenten. Diese präzisen Formen (wie Dreipass oder Rose) gewährleisten sowohl die statische Stabilität des Steins als auch die ästhetische, harmonische Gliederung der Glasflächen.
Ebenso weisen Blüten mit klar definierten, oft segmentierten Kronblättern, wie u.a. bei Kompositen, eine natürliche Affinität zu den radialen und passförmigen Strukturen des Maßwerks auf.
Die primäre Erkenntnis aus jeder der dabei entstehenden Arbeiten sind die unterschiedlichsten Rekontextualisierungen verschiedenster Objekte, deren Formensprache selbstverständliche, aber auch überraschende Übereinstimmungen und Entsprechungen aufweist. Wie so häufig in der Kunst gilt auch hier die Gleichung '1+1=3', wonach das Zusammenfügen zweier Dinge etwas völlig neues erschaffen kann. Daneben beinhaltet jedes Ergebnis aber auch eine Vielzahl von Deutungsvarianten. Im hiesigen Fall führt der Bikini das Thema der Verhüllung/Enthüllung in den Raum der mittelalterlichen Kirche ein und stellt somit einen Kommentar zur historischen Rolle der Mode, der Körperkultur, der Weiblichkeit und der Sexualität in der Kunstgeschichte dar.









